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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 1
Karfreitag
Freier Zugang
Lesejahr A – B – C
Beitrag zur Lesung

Einführung

Die christliche Kunst kennt ein eindrückliches Bild: den »Gnadenstuhl«. Das Bild stellt dar, wie Jesus aufgenommen wird in die Herrlichkeit. Gott, der Vater, hält ihn in seinen Armen. Der Geist vom Himmel schwebt darüber. Aber zugleich liegt ein großer Schmerz über dem Ganzen. Jesus selbst ist wie gebrochen in den Armen seines Vaters. An seinen Händen und Füßen und an seiner Seite hat er die Wundmale vom Kreuz. Nun wird er getragen mit seinem ungeheuren Leiden. So drückt dieses Bild das aus, was wir jetzt am Karfreitag feiern. Jesus ist ganz auf Gottes und ganz auf des Menschen Seite. Er ist der Mittler. Er gibt uns den Mut, jetzt hinzutreten zum »Gnadenthron« Gottes. Er gebe uns jetzt ein weites Herz, Gnade und Barmherzigkeit anzunehmen.

Predigt

Zum Text: Hebr 4,14–16; 5,7–9 (2. Lesung)

Schnell wie das Licht durchqueren sie die Himmelsatmosphäre, die Raketen mit den Sonden zum Mond, zum Mars, zum Jupiter. Ein Spiegelbild heutiger Wünsche nach der Eroberung des Weltalls. Jesus Christus ist anders. Sein Schritt durch die Himmel ist nicht vorzustellen als Überschallflug durchs unergründliche Weltall, bei dem nur wenige wirklich mitkommen können, sondern als Gang ins Zentrum des Alls, ins Heiligste und Allerheiligste, zu Gott. Als Hoherpriester steht er vor Gott – Mensch für alle Menschen.

Von Gott berufen


Den Hohepriester verbinden wir mit dem jüdischen Tempelkult. Am Versöhnungstag schritt er durch Vorhof und Tempel bis ins Allerheiligste hinter den Vorhang. Dieser Raum, Ort dichtester Gegenwart Gottes, durfte nur von ihm betreten werden. Zuvor war der Sündenbock, beladen mit den Sünden aller, hinausgejagt worden vor die Stadt. Beim Tod Jesu, so berichten die Evangelien, »riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei« (Mk 15,38), der Zugang wurde frei. Jesus hat in seinem Tod die Himmel durchschritten, Sündenböcke und Hohepriester sind Vergangenheit. Das Allerheiligste ist offen für das Alltäglichste. Der Himmel ist zugänglich von der Erde her. Jetzt gibt es für alle, die mitkommen, freien Zutritt zum »Thron der Gnade«.

Gnade im biblischen Sinn ist das Sich-Hinunterneigen Gottes, seine Zuneigung, die uns gilt. Sie umschließt Erbarmen, Vergebung, Güte. Gott muss nicht auf einem fernen Thron gesucht werden, er ist uns nahe in seinem Sohn, der vorausgegangen ist im Tod durch die Himmel und uns den Weg dorthin geöffnet hat. In der Nähe des Mittlers, der bitten kann, flehen, schreien, weinen, ist zu lernen, Mensch mit allem Menschlichen vor Gott zu sein. Jesus tritt nicht, wie manche Hohepriester heute, als Techniker des Religiösen auf. Er hilft nicht von oben herab, sondern von innen heraus. Er ist kein Priester in prachtvollen Gewändern, sondern ein Mensch, der menschliche Schwachheit und Ausweglosigkeit wie kein anderer durchlebt und durchlitten hat, ein Mensch in Ängsten und Todesnot. Der deshalb, wie wir, Versuchungen ausgesetzt war, Versuchungen der Macht und Größe. Aber auch in Todesnot blieb er seinem Weg solidarischer Liebe treu. Und darin blieb er durch alle Gottverlassenheit hindurch auch Gott treu.

Für die Menschen eingesetzt


Hoherpriester wird Jesus dadurch, dass Gott ihm durch sein Leiden hindurch treu geblieben ist und ihn mit seinen Wundmalen in sich aufgenommen hat. Mit ihm nimmt Gott das gebrochene Leben aller Menschen in sich auf. Jesus ist dazu ein ganz anderer Hoherpriester als die vielen mit ihren wiederholten Opfern. Nach Jesus braucht es keine weiteren Hohepriester mehr. Nur er kann mitleiden und barmherzig sein, weil er selber gelitten hat; nur er kann einem andern in der Versuchung beistehen, der selber versucht worden ist. Er kommt uns so nahe, dass er mitfühlen kann mit uns, mehr noch: Mit-leiden durch eigenes Leiden.

Zwischen Gott und uns Menschen kann es nicht anders zugehen als zwischen den Menschen, wenn es unter ihnen zu einer wirklichen Begegnung kommen soll. Nur wer leidensfähig ist, kann Sympathie empfinden, kann Liebe spüren und zeigen. Weil Jesus demütig und ehrfürchtig sich über die Schmerzgrenze hinaus dem Willen Gottes, seines Vaters, überließ, hat er leibhaftig erfahren, was Gehorsam ist. Er hat den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt unter den Menschen durchbrochen. Er setzt allein auf die Macht der Liebe und der Barmherzigkeit.

Gott treu geblieben

Alles kommt also darauf an, auf diesen Hohenpriester zu hören, aus einer tiefen Jesus-Beziehung zu leben. Wir sollen das Leiden Jesu sehen, damit wir auch sein Mit-fühlen mit uns sehen, seine Solidarität mit den Schwachen und Irrenden, seine Barmherzigkeit mit den Sündern. Wir sind auf unserem beschwerlichen Lebensweg nicht allein gelassen, sondern haben in Jesus einen mitfühlenden Weggefährten, einen, der uns zu Gott führt. Der Himmel ist offen. Jesus eröffnet für die, die an ihn glauben, etwas ganz Neues. Wir Christen sind überzeugt, dass Gott keine Opfergaben von uns erwartet; wir sind überzeugt, dass unsere Hingabe gefragt ist. Dass wir unsere Vertrauensfähigkeit und unsere Tatkraft einsetzen. Dass wir keinen Hehl aus unserer Schwachheit machen und, wenn sie uns gegeben sind, Freude und Zuversicht vorleben.

Johannes Kreidler

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