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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 1
20. Sonntag im Jahreskreis
Was Jesus lernt – und was wir zu lernen haben
Lesejahr A
Beitrag zum Evangelium

Einführung und Kyrie-Ruf

Wenn wir zur sonntäglichen Feier zusammenkommen, wird uns eine Begegnung mit Jesus Christus geschenkt. Er tritt uns entgegen. Er spricht uns an. Er kann auch aufregen und herausfordern. Jedenfalls ruft er uns zum Glauben: Zum Glauben an den lebendigen Gott, der unser aller Heil will, und zum Glauben an ihn, Jesus Christus, den Gottgesandten! Dass der Glaube in uns wachse, dass er neue Kraft und Weite gewinne, darum lasst uns bitten.

Herr Jesus Christus, sieh auf meinen manchmal so dürftigen und hilflosen Glauben.
Herr, erbarme dich.
Höre meine oft gestammelten Bitten und wende mir dein Ohr zu.
Christus, erbarme dich.
Sieh meine leeren Hände und fülle sie in deiner Großmut.
Herr, erbarme dich.

Tagesgebet
Gott, liebender Vater,
unser Glaube bleibt oft so zwiespältig: Wir ahnen dich und sind doch nur ganz zaghaft unterwegs zu dir. Wir haben Vertrauen, und es ist in uns doch so viel Ängstlichkeit. Wir empfangen Halt im Glauben und fühlen uns doch oft so eigenartig bodenlos.
Wir bitten dich: Du kennst uns. Du weißt um unsere Armut. Lass uns zu einem starken Vertrauen auf dich finden. Sei uns nahe in Jesus Christus, deinem Sohn, der mit dir lebt und wirkt in alle Ewigkeit.

Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung
GL 422 »Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr«
Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 46/1 »Lass dein Angesicht leuchten« mit Versen aus 46/2 (Psalm 67) oder
GL 485,1–2.5 »O Jesu Christe« und
GL 174/3 »Halleluja« mit Vers
Gesang zur Gabenbereitung
GL 393 »Nun lobet Gott«
Gesang zur Kommunion
GL 387 »Brot, das die Hoffnung nährt«
Dankhymnus/Schlusslied
GL 551 »Nun singt ein neues Lied dem Herren«

Vorüberlegungen

Zum Text: Mt 15,21–28 (Evangelium)

Im heidnischen Land trifft Jesus auf eine kanaanäische Frau. Ausführlich wird bei Matthäus die Begegnung geschildert. Die Anrede, die die Frau wählt (»Hab Erbarmen mit mir« Mt 15,22) rührt her aus gut jüdischer Psalmensprache (Ps 6,3). Die folgende Bezeichnung als »Sohn Davids« verdeutlicht, dass die Frau von Jesu Heilswirken und von der Heilshoffnung Israels Kenntnis besitzt. Die Frau schreit ihre Not heraus.
Jesu Verhalten ist zuerst befremdlich. Er gibt gar keine Antwort (Mt 15,23). Erst auf die Intervention der Jünger hin erklärt er sich als»nicht zuständig«. Hier kommt der Vorrang Israels zum Vorschein. Das ist gewiss Urgestein der Jesusverkündigung und des ursprünglichen Sendungsbewusstseins Jesu.

Die Frau lässt sich aber nicht abweisen. Sie fällt sogar vor Jesus nieder (Mt 15,25). Das ist eine Geste, die dem König, dem königlichen Herrn gilt. Soweit geht ihre Verehrung und Hochschätzung.

Jesus bleibt zunächst zurückhaltend, ja sogar schroff. Doch nicht einmal davon lässt sich die Frau abhalten. Hartnäckig verfolgt sie ihr Ziel (Mt 25,27). Und sie kann überzeugen. Durch ihr Bitten hindurch werden ihr Glaube und ihr Vertrauen greifbar. Darauf antwortet Jesus: Der Glaube, den er an ihr wahrnimmt, lässt ihn in seinem Heilswirken über die Grenzen Israels hinausgehen. Dieser Schritt Jesu ist erstaunlich und für uns, die Hörerinnen und Hörer des Evangeliums, herausfordernd.

Predigt

Der irritierende Auftritt

Jesus ist unterwegs: Er weicht ins nichtjüdische Gebiet aus. Der Boden wird ihm zu heiß – nach dem Tod des Täufers Johannes und nach den heftigen Auseinandersetzungen mit den jüdischen, religiösen Autoritäten.
Und so erleben wir ihn in der Begegnung mit einer Frau aus jener Gegend, einer Syro-Phönizierin, in jüdischen Augen einer Ungläubigen. Jesu Auftreten ist irritierend, so ganz anders als sonst. Er hält deutlichen Abstand. Ich bin nur für die Juden zuständig, sagt er. Er setzt klare Grenzen. Und er ist dabei gar nicht wählerlisch mit seinen Worten: Die Heiden vergleicht er mit Hunden! Das ist total beleidigend. Jesus ist ganz gefangen in den religiösen Rastern seiner jüdischen Kultur und Frömmigkeit. In diese Tradition ist er hineingeboren; sie trägt ihn; sie bestärkt ihn, aber sie schafft auch Grenzen. Jesus ordnet die Welt nach vorhandenen Rubriken: Juden und Nichtjuden, Würdige und Unwürdige. Das Auftreten Jesu ist befremdend.

Diese Raster sind uns nicht fern

Werden wir uns bewusst: Auch wir haben solche Raster in unseren Köpfen, manchmal ausgesprochen, aber manchmal auch ohne dass es uns bewusst wird. Oft sind es ganz äußerliche Kriterien: das Aussehen, die Kleidung, die Sprache, die Hautfarbe. Wir teilen ein in solche, die anständig und würdig sind, und die anderen. Wir haben Maßstäbe dafür, wen wir für gläubig halten und wer nur ein »Taufscheinchrist« ist. Wir unterscheiden zwischen denen, die in der Gemeinde richtig dazugehören, und in die, die nur Mitläufer sind. Ich entdecke auch bei mir selbst genug solche Ab- und Ausgrenzungen. Natürlich weiß ich, dass ich damit den Menschen und der Wirklichkeit des Lebens nicht gerecht werde. Aber die Frage ist ja: Wie komme ich davon los? Wie kann ich mich davon befreien?

Unser Evangelium heute sagt es uns: Um von den unguten Rastern im Kopf loszukommen, braucht es Begegnungen, die uns herausfordern und in die Weite führen.

Die Begegnung, die Jesus in die Weite führt

Jesus erlebt eine solche Begegnung. Und sie hat Folgen! Dafür verantwortlich ist diese Frau. Sie ist keine Jüdin, aber sie setzt eine große Hoffnung auf Jesus. Hartnäckig ist sie und nicht auf den Mund gefallen. Wir wissen nicht, wie sie zu dieser großen Hoffnung auf Jesus gekommen ist und wieviel sie von Jesus weiß. Sohn Davids nennt sie ihn. Also offensichtlich hat sie sich mit der jüdischen Überlieferung und Messiashoffnung doch schon auseinander gesetzt. Und sie anerkennt auch, dass Jesu Sendung primär dem Volk Israel gilt. Sie hat sicher keinen vollständigen Glauben, der dem Gesetzeskodex der Schriftgelehrten standhielte. Aber Hoffnung hat sie und sie lässt sich nicht irritieren. Hinter ihrer Sturheit steckt offensichtlich Glaube, unbändiges Vertrauen. Das spürt Jesus, und er kann sich ihr nicht versagen. Ihr Glaube bewegt etwas in Jesus. Da wird bei ihm ein Raster aufgesprengt. Staunend geht er über die Grenzen hinaus. Er wendet sich ihr zu. Er verspricht ihr Heil.

Es tut gut, diesen Wandel bei Jesus zu erleben, seinen Weg aus der Enge der jüdischen Volksgemeinschaft in die Weite. Zu spüren: Er nimmt seine ursprüngliche Sendung ernst, aber er vernimmt in dieser Stunde doch den Auftrag seines Gottes und Vaters, der ihn durch die Begegnung mit der Frau dazu herausfordert, über die engen Grenzen hinauszugehen, seine Sendung auf die Welt hin zu öffnen.

Auch die Jünger Jesu haben zu lernen

Und die Jünger in dieser Geschichte? Sie spielen zunächst nur eine Nebenrolle, und zwar keine besonders rühmliche. Sie wollen ja nur einfach die lästige Schreierin loswerden. Auch sie haben in der Begegnung mit der Frau zu lernen, für ihren weiteren Weg, für den Weg der Jesusbewegung. Auch sie sollen über die Enge des Judentums hinausgehen, bei aller unlösbaren Verwurzelung dort. Sie haben sich auf die Welt hin zu öffnen, für die Sehnsucht der Menschen, weit über alle nationale Grenzen hinaus. Und wir, die Jünger Jesu heute? Haben wir nicht geradeso ständig zu lernen, über die römisch-katholischen Raster, über die deutschen und abendländischen Denkschablonen hinaus?

Unser Lernweg

Sehen wir auf den Glauben der Frau: Der Glaube der Frau war gewiss nicht vollständig, im Sinne des jüdischen Glaubensbekenntnisses. Es war kein konventioneller Glaube. Aber doch war diese Frau ganz nahe bei Jesus: mit ihrem Ruf voller Sehnsucht, mit ihrer Lebensnot und ihrer Hoffnung. Und kommt es nicht gerade darauf auch für uns an? Dass wir seine Nähe suchen – mit der Sehnsucht unseres Herzens! Dass wir der Kraft seiner Stimme trauen und der Zartheit seiner Hände! Dass wir zu ihm kommen mit all unseren Anliegen! Darauf kommt es an! Nicht dass wir alle möglichen Dinge glauben und das ganze dogmatische Lehrbuch auswendig kennen. Es kann sogar passieren, dass das Bemühen um Rechtgläubigkeit und Vollständigkeit dem freien, offenen, vertrauenden Blick auf Jesus eher im Wege steht.

Und was uns gut tut: dass wir als Christinnen und Christen auch immer wieder neu staunen über den Glauben, den wir außerhalb unserer engen Kreise, unserer Kirche, Gemeinde und Kerngemeinde finden. Dass wir staunen über das Wunder des Glaubens in einer Welt, die uns manchmal so glaubenslos und Gott fern vorkommt. Ich denke: Wir brauchen weite, große Augen, die wach sind für das, was Gott auf seine Weise und auf ganz unerwarteten Wegen in den Herzen der Menschen wecken kann.

Zu diesem Blick helfen uns gewiss Begegnungen, vielleicht auch ganz unkonventionelle Begegnungen: mit Menschen aus anderen kulturellen Räumen, aus anderen Glaubenshaltungen und religiösen Beheimatungen. Ich bin sicher, dass uns da auch eine Weite zuwachsen kann, die unseren eigenen Glauben und die eigene Lebensführung wirklich bereichert.

Ich muss heute einfach eingestehen: Ich bewundere die Frau, die sich in ihrem Glauben an Jesus fest macht, die sich nicht irritieren, sich nicht abschütteln lässt. Und ich bewundere Jesus, der sich auf einen Lernweg einlässt. So setzt er uns, den Glaubenden heute, ein Maß! Lässt uns das in unseren Christengemeinden nicht aufbrechen: in die Weite des Glaubens und in die Demut, dass Gott auch an ganz anderen Orten Glauben wecken kann?

Fürbitten
Beten wir zu unserem Herrn Jesus Christus, in dem uns Gott seine liebevolle Zuwendung schenkt:

- Lasst uns beten für unsere Gemeinde, die immer neu gerufen ist zu einem wachen, tiefen und gereiften Glauben.
(Christus, höre uns.)
- Lasst uns beten für die Frauen und Männer, die in der Verkündigung und Seelsorge Dienst tun und deren Zeugnis für unseren Glauben so wichtig ist.
- Lasst uns beten für junge Menschen in unseren Gemeinden und Familien, die nach dem Sinn für ihr Leben suchen und dabei so vielen Angeboten begegnen.
- Lasst uns beten für alle jene Menschen, die durch ihr Lebensschicksal hart geworden sind und ihre Verbitterung aus eigener Kraft nicht überwinden können.
- Lasst uns beten für die Heimat Jesu und die Völker, die dort wohnen und in Feindschaft sowie gegenseitiger Ablehnung gefangen sind.

Jesus Christus, deine Zuwendung lässt uns leben und hoffen. Auf sie vertrauen wir und wagen unseren Weg. Der du lebst und wirkst in alle Ewigkeit. Amen.

Wolfgang Schrenk

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