archivierte Ausgabe 6/2023 |
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Leseprobe 1 |
Mariä Aufnahme in den Himmel |
Maria – ein Mensch wie wir |
Lesejahr A – B – C |
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Thematischer Beitrag
Einführung
Am heutigen Tag, mitten im Hochsommer, mitten in der Urlaubs- und Ferienzeit, feiern wir eine Frau, die am Ende ihres Lebens mit Seele und Leib in den Himmel aufgenommen wurde. Wir feiern Maria, das Mädchen aus Nazaret, das ohne ihr eigenes Zutun in die größte Geschichte aller Zeiten verwickelt wurde und Ja dazu gesagt hat. Wir feiern uns, da wir in Maria unsere eigenen Möglichkeiten und unsere Zukunft entdecken. Wir feiern eine Hoffnung, die oft so furchtbar unterschätzt wird und deren Geheimnis im Gott unseres Glaubens liegt.
Thematische Predigt
Maria eine Göttin? – Dieses Missverständnis kann in manchen unserer Kirchen tatsächlich aufkommen, vor allem wenn die Madonnenfigur im Zentrum eines barocken oder gotischen Hochaltars steht. Wenn dann noch der Heilige Geist über ihr schwebt und wenn Gott Vater und Sohn sie in ihre Gemeinschaft aufnehmen – ist dann nicht klammheimlich aus der christlichen Dreifaltigkeit eine Vierfaltigkeit geworden – Maria als eine von Vieren, von göttlicher Natur – und endlich einmal auch eine Frau?
Maria und Artemis
In Ephesus stieß der Apostel Paulus einst auf die große Göttin Artemis. Die Silberschmiede und Andenkenhändler, die bei den Wallfahrern das große Geld machten, ärgerten sich über den Eindringling, der die Frechheit besaß, alle Götterbilder für null und nichtig zu erklären und die große Artemis herabzusetzen. Ein Aufruhr entstand, und zwei Stunden konnte man auf dem Marktplatz Sprechchöre hören, die immer und immer wieder riefen: »Groß ist die Artemis der Epheser! Groß ist die Artemis von Ephesus!« (vgl. Apg 19,21–40).
Für Paulus gab es jedoch kein Zurück. Er verkündete weiter, dass es nur einen einzigen Gott gab – den, der Jesus von den Toten auferweckt hatte. Selbst die Erhöhung Jesu zur Rechten seines Vaters im Himmel brachte ihn wie alle Christen damals und heute nicht vom Ein-Gott-Glauben Israels ab. Der eine Schöpfer von Himmel und Erde braucht auch keine weibliche Ergänzung, da alle Bilder, mit denen man sich dieses »Höchste von allem« verständlicher machen möchte, von vornherein unzureichend sind – auch die männlichen.
Und doch – ist in Maria die große Artemis von Ephesus nicht schließlich doch in unsere Kirche zurückgekehrt? Hat das Bedürfnis nach einer weiblichen Gottheit am Ende gesiegt? Hat sich in unserer Marienverehrung etwas eingeschlichen, was dem Christentum völlig fremd ist?
Ein Mensch wie wir
Vielleicht schwingt das ja tatsächlich mit. Aber es trifft den Kern nicht. Maria, wie wir sie verehren, ist keine Göttin, sondern ein Mensch – und gerade das macht sie groß.
Darum preist sie selbst im Magnifikat (vgl. Lk 1,46–55) ausschließlich »die Größe des Herrn« und jubelt über Gott, ihren »Retter«. Er ist es, der sie »angeschaut« hat in ihrer »Niedrigkeit«. Das, was an ihr groß ist, hat Er an ihr getan, denn er ist ein Gott, der sich »von Geschlecht zu Geschlecht« erbarmt »über alle, die ihn fürchten«.
Wäre Maria kein Mensch wie wir, würden wir an ihr auch nicht sehen können, was für ein Gott das ist, den Jesus der Welt gezeigt hat – ein Gott nämlich, der »Mächtige vom Thron« stößt und »Niedrige erhöht«, der »Hungernde« sättigt und »Reiche« mit leeren Händen beschämt davongehen lässt.
Maria – als Frau aus Fleisch und Blut – ist auch eine Tochter Israels. Von den Hochaltären und Ikonen unserer Kirchen ruft sie daher gerade im Namen dieses geschundenen Volkes – und gegen allen christlichen Antisemitismus: »Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unseren Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.«
Maria – eine Frau, eine Jüdin, ein von Gottes Liebe umhüllter Mensch. Ihr singen wir zu Recht zu: »Du Frau aus dem Volke, von Gott ausersehn, dem Heiland auf Erden zur Seite zu stehn, kennst Arbeit und Sorge ums tägliche Brot, die Mühsal des Lebens in Armut und Not.«
Weil wir in ihr sehen, was Gottes Liebe auch an uns vermag – deshalb dürfen wir sie, den Menschen aus Fleisch und Blut, auch in ihrer verherrlichten Gestalt darstellen – in Anlehnung an das Bild aus der Offenbarung des Johannes gerne auch mit der Sonne bekleidet, den Mond unter den Füßen, begleitet von Engeln und umfangen von der Herrlichkeit des dreieinigen Gottes – Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Auch gerne barock hinaufgemalt an die Kirchendecke, wo sich Leidende und Sterbende, Liebende und Glaubende um sie scharen und sich vielleicht sogar unter ihren Mantel drängen – oder wenn sie uns einen Rosenkranz entgegenstreckt, damit wir uns daran hängen, um betend ebenfalls nach oben zu gelangen, zu Gott.
Mit einer Göttin, da könnten wir in Wirklichkeit gar nichts anfangen. Gott allein genügt. Groß ist nicht die Artemis der Epheser, sondern das Mädchen Maria aus Nazaret.
Mater gloriosa
Diese Hoffnung ist so gewaltig, dass auch ein Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe vom Bild der »Mater gloriosa«, der glorreichen Mutter, erfasst worden ist. Am Ende seines großen Werkes über Doktor Faust lässt er gerade ihr Bild am Himmel erscheinen, von wo aus sie eine unruhige Seele an ihr Herz zieht.
Faust, der bei seiner Suche nach dem wahren Glück keine Scham und keine Hemmungen kannte, der auch über Leichen ging und seine Seele dem Teufel verschrieb – er, der am Ende wie der ärmste Mensch dasteht, wird von dieser Himmelskönigin am Ende nach oben gezogen. »Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.« Mit diesen Worten endet die Dichtung. Ob Goethe damit tatsächlich die Maria meinte, die wir kennen, oder nur ein Symbol, ein Traumbild – oder eben doch eine neue Artemis –, lassen wir einmal auf sich beruhen.
Für uns jedenfalls ist es Maria, die Frau aus Nazaret, die Frau aus Israel, die Frau aus dem Volke. Wir glauben daran, dass Gott sie am Ende ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen hat;
und dass daher auch für uns nicht alles verloren ist …;
und dass auch unser Leben in Gottes Herrlichkeit münden kann, so verworren es auch abgelaufen sein mag, vielleicht so verworren wie das Leben eines Doktor Faust …
Nicht ein verschwommener Traum – das »Ewig-Weibliche« – gibt uns diese Hoffnung.
Ein wirklicher Mensch – MARIA – »zieht uns hinan«.
Fürbitten
Rufen wir zu Gott, unserem Vater, und bitten ihn:
– Für die Kirche: Schenke ihr die Kraft zu neuen Wegen und zur Treue im Glauben. – Für die Regierenden: Wecke in ihnen immer aufs Neue die Verantwortung für den Frieden, die Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung. – Für alle Übersehenen und Zukurzgekommenen: Richte sie auf und lass ihre Würde und Größe aufleuchten. – Für alle Sterbenden: Lass sie vertrauen auf deine Liebe und deine nie versiegende Lebenskraft. – Für uns alle ganz persönlich: Hilf uns Ja sagen wie Maria, aushalten wie Maria, dich lobpreisen wie Maria.
Denn du hast Großes auch an uns getan und dein Name ist heilig. Du erbarmst dich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die auf dich hoffen. Und du nimmst dich unser aller an, so wie du es Abraham verheißen hast – und allen seinen Nachkommen bis in Ewigkeit. Amen.
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Alfons Knoll |
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