archivierte Ausgabe 2/2010 |
|
|
|
|
Herausgeber |
|
|
|
|
|
Leseprobe 2 |
Fünfter Fastensonntag |
Lesejahr C |
|
»Seht her, ich schaffe Neues!«
Predigt
Zum Text: Jes 43,16–21 (1. Lesung)
»Auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten – seht her, nun schaffe ich Neues!« Ein recht ungewöhnlicher Ton in einer Zeit und besonders in einer Kirche, die doch eher am Alten hängt und das Vergangene festhalten will: Ja, früher …! Früher waren die Kirchen voll – und heute? Die Alten sterben, die Jungen bleiben weg. Früher, da war man stolz auf seine Kirche – das »Haus voll Glorie« schaute weit über alle Land. Heute ist für viele die Kirche »das Letzte«. Früher, da galten noch gemeinsame Werte – was gilt denn heute noch? … Wir kennen dieses Klagelied und könnten es beliebig weitersingen.
»Denkt nicht mehr an das, was früher war …«
»So spricht der Herr: Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Seht her, nun schaffe ich Neues. Schon kommt es zum Vorschein – merkt ihr es nicht?« Ein Wort, das trifft – gerade uns heute –, auch wenn es ursprünglich in eine weit zurückliegende Zeit hineingesprochen ist. Ein namentlich unbekannter Prophet, der sogenannte »Zweite Jesaja«, redet so zu seinem Volk Israel im Exil, in der Verbannung in Babylon. Und wir können uns kaum vorstellen, wie trostlos und de-primierend die Situation für Israel damals war: Das eigene Land nie-dergebrannt; Jerusalem, der Tempel völlig zerstört; der Staat, die Priesterschaft, der Gottesdienst – alles, was den Glanz, den Stolz Israels ausgemacht hat, ist dahin. Nichts ist übrig von Davids Reich. Israel ist nur noch eine versprengte gedemütigte Minderheit im fremden Land.
»Seht her, jetzt schaffe ich Neues!«
Jetzt aber: »Denkt nicht mehr an das, was früher war – seht her: jetzt schaffe ich Neues! Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht? … Ja, ich lege einen Weg durch die Steppe und Straßen durch die Wüste; ich lasse in der Steppe Wasser fließen, um mein Volk zu tränken. Das Volk, das ich mir erwählt habe, wird meinen Ruhm verkünden!« Wie kommt der Prophet dazu, den Mund so voll zu nehmen? Das Wunder ist geschehen – freilich erst im Rückblick erkennbar: Gerade in der Zeit des Exils, als aller äußerer Glanz dahin war, entstanden die Bibel, die Tora, die wichtigsten Psalmen und Weisungen – das, was zum Herzstück Israels, ja auch der Christenheit geworden ist und ihm erst seine wahre Identität gegeben hat, eine innere Identität jenseits aller staatlichen Macht. »Seht her, ich schaffe Neues; schon kommt es zum Vorschein – merkt ihr es nicht?«
»Schon kommt es zum Vorschein!«
Es war die Katastrophe des Dritten Reiches, die den entscheidenden Impuls für die Bewegung zur Ökumene gegeben hat. Es war der als Verlegenheits- und Übergangspapst apostrophierte schon alte Papst Johannes XXIII., der die festgefahrene Kirche in die Spur des Evangeliums gebracht hat … Könnte nicht auch die vielen Menschen so bedrohlich erscheinende Globalisierung und die »Revolution« des weltweiten Kommunikationswesens ein Wink Gottes sein, in der Welt endlich Gräben zu überwinden: zwischen arm und reich, oben und unten? Und der moderne oft beklagte Individualismus – könnte er nicht dem Evangelium von der Freiheit der Kinder Gottes ganz neue Resonanz verschaffen? Oder der so verwirrende Markt der Meinungen und Standpunkte: Will Gott nicht unseren Glauben dialogfähiger machen, damit er Menschen überzeugt und nicht gängelt?
Gottes Taten gehen weiter
»Gottes Taten gehen weiter« heißt der Buchtitel eines bekannten Theologen. Die Befreiung aus der Knechtschaft, die Quellwunder in der Wüste – wie der Prophet sagt – geschehen auch heute, auch wenn wir oft erst im Rückblick die Hand Gottes erkennen. Auch unsere Zeit ist Gottes Zeit! Zwei ganz konkrete Merkzeichen stellt uns der heutige Sonntag auf: Da ist das Evangelium von der Ehebrecherin: »Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!« Jesus bahnt ein neues Denken und Umgehen miteinander an. Er befreit uns dazu, im Spiegel des anderen uns selbst, die Wahrheit über uns selbst zu erkennen. Und plötzlich merken wir, dass er »Neues schafft«: Wir brauchen einander nicht mehr fertig zu machen, um selber fein heraus zu sein. Wir brauchen nicht mehr zu beweisen, wie gut wir sind, weil der andere ja viel schlechter ist. Wir müssen den anderen nicht verdächtigen und heruntermachen – weil wir entdecken, dass wir selbst aus Vergebung leben und leben dürfen. Etwas Neues beginnt, ein Stück neue Schöpfung. »Merkt ihr es nicht?« Und das andere Signal für das Neue, das Gott schafft, ist Misereor: So scheinbar unabänderlich die Schere zwischen arm und reich in der Welt immer weiter auseinandergeht – Misereor ist zu einem Zeichen der Hoffnung geworden, dass es nicht so bleiben muss und bleiben darf. Und gerade die Armen sind es oft, die uns diese Hoffnung vorleben. Bei unseren Partnern in Peru wird man kein nostalgisches Lamento hören. Ja, wenn es nur so wäre wie früher …! Sie, die wirklich genug Grund hätten, nur schwarz zu sehen, gerade sie trauen Gott zu, dass er jetzt und heute Neues schafft: • in der Hoffnung, die sich nicht entmutigen lässt und die sie im Gottesdienst feiern; • in der Solidarität untereinander, die aus der Not wächst • und in der Partnerschaft zwischen unseren Gemeinden. »Seht her, nun mache ich Neues!« Stehen wir also nicht lamentierend abseits, wenn doch Gott heute auf uns zählt: auf Auge und Ohr, Hand und Fuß, vor allem auf unser Herz – und schließlich auch auf unseren Geldbeutel.
Fürbitten Gott, unser Vater, sieh auf die Not und das Elend in unserer Welt. Sende aus deinen Geist und erneuere, was du geschaffen hast:
- Wir bitten für die Kirche und ihre Sendung heute: um Wachheit und Aufmerksamkeit für das Neue, das du heute schaffst, und neue Wege, die du mit uns gehen willst. (GL 253/1 »Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu«) - Wir bitten für die Menschen in Hunger und Elend, denen -unser Misereor-Opfer gilt: um die Kraft der Hoffnung wider alle Hoffnung, dass der Einsatz für Gerechtigkeit und -Menschenwürde nicht umsonst ist. - Wir bitten für die Menschen, die tagtäglich der Gewalt und dem Terror ausgesetzt sind: um Befreiung von ihren Peinigern und um die Kraft, auf Rache zu verzichten. - Wir bitten für alle, die sich im Friedens- und Entwicklungsdienst engagieren oder als Soldaten im Auslandseinsatz auf schwierigem Posten stehen: dass ihr Engagement einer -besseren Zukunft dient. - Wir bitten für die Kranken – in unseren Häusern und in den Kliniken: um den Trost deiner Nähe in aller Ungewissheit.
So bitten wir durch Jesus Christus, unseren Retter und Herrn. Amen.
|
Thomas Keller |
|
|
|
pastoral.de
|
Das bewährte
BasisProgramm
auf CD-ROM
oder
Die
Web-Plattform
im Browser
|
Vergleichen Sie hier
|
|
|
Bücher & mehr |
|
|