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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 2
Dritter Fastensonntag
Die Macht der Bilder
Lesejahr C
Beitrag zur Lesung

Einführung


Können Sie sich noch an die Bilder der Flüchtlinge erinnern, die Ende des vergangenen Jahres in Belarus an der Grenze zu Polen im Wald gelagert haben? Diese Bilder haben ganz Unterschiedliches ausgelöst. Wut auf den so genannten letzten Diktator Europas, der diese Situation bewusst provoziert hat. Unverständnis, wie Menschen mit kleinen Kindern sich auf so ein Wagnis einlassen konnten. Ratlosigkeit, wie da politisch richtig zu handeln ist. Entsetzen, dass diesen Menschen nicht geholfen wurde. Und vor allem Mitleid mit den Männern, Frauen und Kindern, die da in eisiger Kälte ausharren mussten.
Immer wieder stehen wir solchem Elend ratlos gegenüber, fühlen uns hilflos, können im ersten Moment nur sagen: »Herr, erbarme dich.« Wir rufen zu dem, der sagt: »Ich habe das Elend gesehen. Ich kenne ihr Leid.«

Predigt

Zum Text: Ex 3,1–8a.10.13–15 (1. Lesung)

Die Macht der Bilder lässt aufbrechen … Als letztes Jahr im Juli eine Flutkatastrophe großes Unheil in Rheinland- Pfalz und Nordrhein-Westfalen angerichtet hat, machten sich viele auf den Weg, um den Menschen in den betroffenen Regionen zu helfen. Die einen gehörten zu den Rettungsdiensten, die anrückten, um von den Fluten Eingeschlossene zu retten, Tote zu bergen, Notunterkünfte zu organisieren, Gebäude zu sichern und die Infrastruktur wieder in Gang zu setzen. Andere brachen als freiwillige Helferinnen und Helfer auf. Meist wurde diese Hilfe in sozialen Netzwerken initiiert, organisiert und koordiniert. Die Not der Menschen im Ahrtal und anderswo hat diese Helferinnen und Helfer berührt. Die Klage der Betroffenen ihr Herz bewegt. Die Macht der Bilder von Ausmaß der Katastrophe sie schließlich aufbrechen lassen.

… weckt starke Impulse …

Die Macht der Bilder hat auch Mose aktiv werden lassen. Damals, als er noch in Ägypten war. Er musste mitansehen, wie seine Stammesgenossen hart arbeiteten und mit Lehm und Ziegeln für den Pharao Städte bauten. Er musste miterleben, wie dieses Sklavendasein die Menschen klein halten sollte. Das Fass zum Überlaufen brachte aber eine Situation, die er als junger Mann mitansehen musste. Da schlug ein ägyptischer Aufseher mit roher Gewalt einen seiner Stammesbrüder. Was diese Bilder auslösen, können wir uns gut vorstellen. Wir kennen sie schließlich auch, bis heute. Bilder von Bewaffneten, die Kleinbauern im Namen von Großgrundbesitzern von ihrem Land vertreiben. Bilder von Taliban, die Frauen ihr Recht auf Bildung vorenthalten. Bilder von Umerziehungslagern, in die die Machthaber Chinas unliebsame Minderheiten stecken. »Da muss doch einer dazwischen gehen. Da muss doch jemand Einhalt gebieten«, ist der Impuls, der sich dann oft spontan regt. Leider kennen wir auch das, was bei Mose passiert. Dass so ein Impuls im Affekt zu einem Akt roher Gewalt wird. »Mose sah sich nach allen Seiten um, und als er sah, dass sonst niemand da war, erschlug er den Ägypter und verscharrte ihn im Sand« (Ex 2,12). Das Leid seines Volkes war damit nicht beendet. Er aber musste fliehen und entkam dem Pharao, indem er nach Midian zog.

… lässt Gott herabsteigen …


Dort, viele Jahre später, ereignet sich seine Gottesbegegnung am brennenden Dornbusch. Mose ist immer noch der Alte. Er ist nach wie vor mutig. Die Gunst seines zukünftigen Schwiegervaters Jitro hat er sich erworben, als er dessen Töchtern beim Wasserschöpfen gegen die gewalttätigen Hirten zu Hilfe gekommen war. Nun wagt er wieder Ungewöhnliches, als er »das Vieh über die Steppe hinaus« treibt. Und er scheut nicht zurück, dem Geheimnis des brennenden und zugleich nicht verbrennenden Dornbusches näher auf den Grund zu gehen und sich »die außergewöhnliche Erscheinung« anzusehen. Das sind Voraussetzungen für einen, der aktiv wird. Eigenschaften auf Seiten des Menschen, auf die Gott setzen kann, wenn er einen braucht, der in seinem Namen aufbrechen soll. Jetzt ist es Gott, den die Macht der Bilder in Bewegung bringt. »Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört.« Da ist uns Gott ganz nahe oder wir ihm, wenn das Leid von Menschen und vor allem Unrecht und Unterdrückung uns aufbrechen lassen. »Ich bin herabgestiegen, um es der Hand der Ägypter zu entreißen«, sagt Gott. Und dazu brauche ich dich. Darum geht es in dieser Berufungsgeschichte des Moses. Gott muss einiges aufbieten, um die Bedenken und Zweifel des Moses zu zerstreuen. Er hat schließlich seine Geschichte mit Befreiungsaktionen und kennt sich. Doch am Ende gelingt es Gott, ihn zu gewinnen und ihm gerecht zu werden. Mose bricht auf. Die weitere spannende Geschichte kennen wir ja.

… und bringt mich in Bewegung …

Und wir kennen vielleicht ganz persönlich, was in dieser Gestalt des Moses deutlich wird. Wie oft hat uns schon die Macht der Bilder bewegt, unruhig gemacht, in Aufruhr versetzt. Die Bilder hungernder Menschen auf dem afrikanischen Kontinent. Die Bilder von Tieren in Viehtransportern und auf Schlachthöfen. Die Bilder von Umweltkatastrophen als Auswirkungen des Klimawandels. Die Bilder von an Grenzzäunen gestrandeten oder im Meer ertrunkenen Flüchtlingen. Die Bilder ausgebeuteter Frauen und Männer in Asien, deren Produkte wir hier kaufen. Wie oft haben solche Bilder mich nicht nur aufgerüttelt, sondern mich – ganz spontan – konkrete Vorsätze fassen oder Pläne schmieden lassen. Was ich in meinem Konsum verändern, welche Initiative ich nun unterstützen, welcher Bewegung ich mich anschließen möchte. Bei manchen Menschen hat so eine große Veränderung ihres Lebens begonnen, ein großes Engagement. Andere haben auf diese Weise wirklich begonnen, Lebensgewohnheiten zu verändern. Bei anderen ist es bei dieser anfänglichen Erschütterung geblieben. Die Ausdauer war nicht groß genug. Die Hindernisse und Gewohnheiten zu mächtig. Und wieder andere haben sich zu einer großen Aktion hinreißen lassen, die zwar wieder mächtige Bilder geschaffen, aber wenig verändert hat – wie das Klatschen für das Pflegepersonal in der Corona-Pandemie, das die Probleme im Pflegebereich ja nicht beseitigt hat.

… und lässt meine Berufung in der Gottesbegegnung klären

Hier hilft nochmals ein Blick auf Mose. Seine erste Erschütterung über das Leid seines Volkes hat zu einer wenig hilfreichen Affekthandlung geführt. Erst die Gottesbegegnung am Horeb hat geklärt, worin seine Berufung besteht. Hier hat er einen klaren Auftrag erhalten. Hier konnte er seine Bedenken und Fragen äußern. Hier hat er Ermutigung erfahren. Was da im Dialog zwischen Gott und Mose am brennenden Dornbusch geschieht, ist eine Einladung, eine Ermutigung für uns alle. Wenn Bilder von Leid und Ungerechtigkeit mich mitnehmen und in Wallung bringen, ist es gut, über die Grenze des Gewöhnlichen hinauszugehen. Diese Grenze können spontane Schnellschüsse sein wie auch alle Ausreden und Gewohnheiten, die solche Anfangsimpulse gleich wieder ersticken. Jenseits dieser Grenze könnte der Raum sein, in dem ich mit Gott über all das, was mich bewegt, reden kann, und in dem er zu mir sprechen, meine Aufgabe klären und mir vor allem Mut zusprechen kann. Diese Ermutigung liegt bei Mose im Namen, den Gott ihm offenbart, der seine sichere, wenn auch unverfügbare Nähe verbürgt. Diese Ermutigung liegt aber auch in diesem Bild, in diesem Dornbusch, der brennt und doch nicht verbrennt, der von Feuer und Leidenschaft kündet, ohne dabei verzehrt zu werden. Ein machtvolles Bild für alle, die von der Macht der leidvollen Bilder berührt und zu einem Aufbruch gedrängt werden.

Fürbitten1
»Ich habe das Elend meines Volkes gesehen. Ich kenne sein Leid.«
Darum, Gott, willst du uns Menschen aus unserer Not retten.

- Wir haben das Elend der flüchtenden Menschen weltweit vor Augen. Stille Wir rufen zu dir, Gott: Herr, erbarme dich. (Herr, erbarme dich. Oder: GL 157 »Herr, erbarme dich«)
- Wir haben die Not der Arbeiterinnen und Arbeiter vor Augen, die um ihren gerechten Lohn gebracht werden. Stille Wir rufen zu dir, Gott: Herr, erbarme dich.
- Wir haben die Angst der von Terror und Verfolgung bedrohten Menschen vor Augen. Stille Wir rufen zu dir, Gott: Herr, erbarme dich.
- Wir haben das Leid der Tiere vor Augen, die nicht artgerecht gehalten und unter schlimmen Bedingungen geschlachtet werden. Stille Wir rufen zu dir, Gott: Herr, erbarme dich.
- Wir haben die durch den Klimawandel verursachten Katastrophen vor Augen und die Menschen, die darunter besonders leiden. Stille Wir rufen zu dir, Gott: Herr, erbarme dich.
– Wir haben den Kummer der Trauernden vor Augen und die Menschen, die von ihnen gegangen sind. Stille Wir rufen zu dir, Gott: Herr, erbarme dich.

Anmerkung
1 Die Fürbitten können so gestaltet werden, dass zu jeder Bitte ein Ministrant, ein Kind oder eine andere Person ein Bild hochhält, das die angesprochene Not anschaulich macht. Wo es leicht möglich ist, können diese Bilder auch projiziert werden. Entsprechende Bilder zu den Fürbitten können in Zeitungen oder im Internet gefunden und entsprechend vergrößert werden.

Beate Jammer

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