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Die Inhalte
der Zeitschrift
»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 2
Allerseelen
Trotzen und Trauen
Lesejahr A – B – C
Beitrag zur Lesung

Einführung

Die Mönche haben das Gedächtnis aller Seelen zuerst eingeführt, um vor Gott alle in Erinnerung zu rufen, die zu ihrer Gemeinschaft gehört haben und gehören. Den Gläubigen der ganzen Kirche wurde der Gedenktag gegeben, um alle Mitglieder ihrer Sippe dem Gedächtnis Gottes anheimzustellen. Uns soll der Allerseelentag der Wiederherstellung von Geschichte und Gedächtnis all derer dienen, die aus dem Leben verschwunden sind; manchmal betrauert und manchmal übersehen, als ob sie nie gewesen wären. Wir verbinden uns mit allen, die vor uns waren. Wir sind mit denen verbunden, die mit uns gelebt haben und jetzt nicht mehr sind. Wir rufen alle Seelen in das Gedächtnis Gottes und würdigen so jedes Menschenleben. Wir wenden uns dem lebendigen Gott zu, der alles für uns alle ist.

Predigt


Zum Text: Ijob 19,1.23–27a (1. Lesung)

Reden

Im Buch Ijob reden die Theologen. Elifas, Bildad, Zofar und Elihu heißen sie. Es sind Ijobs Freunde. Sie wollen ihm plausibel machen, dass er zu Recht leidet. Denn Gott lässt keinen Menschen leiden ohne Grund. Das ist der Tenor ihrer Reden. Ijob widerspricht. Auch er hält Reden. Er kann weder bei sich noch in seiner Sippe Gründe ausmachen, die den Verlust seiner Kinder, seines Vermögens und seiner Gesundheit rechtfertigen könnten. Im Buch Ijob redet schließlich Gott selbst. Zwei Gottesreden sind überliefert. Gott setzt die befreundeten Theologen ins Unrecht und stellt sich auf die Seite des widerspenstigen, trotzenden Ijob. Sein schlimmes Schicksal hat nichts mit Schuld und Strafe zu tun.

Einer von ungezählten Menschen

Ijob ist einer von rund 100 Milliarden Menschen, die je auf der Erde gelebt haben und leben. Einer, der sein Schicksal nicht hinnimmt. Einer, der sein Recht auf ein unversehrtes und volles Leben einfordert. Gott stellt sich auf seine Seite. Von ihm bekommt Ijob alles zurück: Kinder, Vermögen, Gesundheit und noch hundertvierzig Lebensjahre hinzu. Das Schicksal des Ijob erhält eine freundliche Wende und ein glückliches Ende. Aber die Hoffnung, die das Ijob-Buch vermittelt, hängt nicht am Happyend. Die Hoffnung besteht darin, dass Gott selbst sich auf die Seite dessen stellt, der Gerechtigkeit einfordert und auf dem Recht für ein unversehrtes und volles Leben besteht.

Einer, der trotzt


Wir – Menschen, die sich an Gott ausrichten – bringen die Fragen und Klagen zum Ausdruck für alle Menschen, alle Seelen, die kaum zum Leben gekommen um ihr Leben gebracht wurden, verschuldet von Menschen, verschuldet von Umständen, verschuldet von nichts und niemand Benennbarem. Mit Ijob und für alle Opfer fragen wir: Wenn du der Gott des Lebens bist, warum beschädigst du mein Leben so brutal? Wenn du der Gott der Gerechtigkeit bist, warum muss ich so viel Unrecht erleiden? Wenn du der Gott der Nähe bist, warum finde ich dich nicht? Ijob lässt Gott nicht aus der Verantwortung, darin liegt seine Größe: Was tat ich dir, du Menschenwächter? – fragt er in seiner gläubigen Verzweiflung. Gott nicht aus der Verantwortung lassen, das ist unser Anliegen heute am Allerseelen-Tag. Das darf natürlich kein Trick sein, um uns selbst aus der Verantwortung für eine menschenwürdige Welt davonzustehlen. Wenn das Schicksal ungezählter Menschen von ihresgleichen und uns gleichgültig übergangen wird, so ist ihr Leben doch vor Gott nicht ausgelöscht oder vergessen. Dessen werden wir heute inne.

Einer, der traut


Der trotzige Ijob lässt sich nicht beschwatzen von frommen Freunden. Er widersteht der Verkündigung von einem Gott, der angeblich rechnet, vergilt, ahndet und straft. Aber neben dem Trotz hat in der Seele Ijobs das Vertrauen Platz. Vielleicht ist es die Kehrseite eines Gläubigen, der um sein Schicksal ringen und an seinem Glauben festhalten will. Die heutige Lesung ist der Ausdruck davon. Ijob weiß, er wird Gott schauen mit eigenen Augen. Vielleicht ohne seine zerfetzte Haut, vielleicht ohne das geschundene Fleisch, aber doch ganz gewiss: Er selbst, die eigenen Augen werden Gott schauen. Meine Augen, sagt er, werden ihn selbst schauen. Über dem Staub wird der Erlöser sich erheben. Ijob lässt sich nicht vertrösten auf eine verheißene Zukunft. Er beharrt auf dem Recht eines unversehrten und vollen Lebens und er vertraut dem, der das Versprechen für ein volles und unversehrtes Leben einlösen kann. Niemand von uns kann das Versprechen des Lebens für alle einlösen. Aber wir halten fest am Vertrauen auf den, der es einlösen kann. Der Löser, von dem Ijob spricht, ist Gott selbst. Wir bekennen uns zum Erlöser Christus, in dessen Name und Kraft das Versprechen des Lebens für jeden Menschen schon heute eingelöst ist.

Fürbitten


Wir stehen zu dir, Gott des Lebens. Du trägst uns auf, allen und allem zu widerstehen, was dem Leben Feind ist. Unsere Verluste, unser Versagen und unsere Trauer bringen wir vor dich:

– Menschen machen sich auf die Flucht, um ein besseres Leben zu finden. Viele erreichen das Ziel ihres Aufbruchs nicht. Ihr Leben ist versunken im Mittelmeer, namenlos in einem Gefängnis oder Lager verendet, irgendwo im Ungewissen stecken geblieben. Eine unbändige Hoffnung und der Wille zum Leben führten sie in den Tod. Gott, lass sie leben in dir und halte sie im Gedächtnis ihrer Angehörigen und in unserem auch.
(Wir bitten dich, erhöre uns.)
– Junge Menschen stehen als Soldatinnen und Soldaten auf allen Seiten der Fronten. Wer mit dem Leben davon kommt und bleibt, wer fällt und verschwindet, scheint auf Zufall zu beruhen und auf dem Kalkül der Befehlshaber. Gott, schütze das Leben der jungen Leute und mach den Kriegen ein Ende.
– In den Diktaturen unserer Welt verschwinden massenweise Menschen, weil sie Unrecht benennen, Gerechtigkeit einfordern oder einfach nur ihr Leben leben wollen. Diktatoren, Parteien, Clans und Militärs beherrschen die Maschinerien des Todes. Gott, lass aus dem Leben und Sterben der Opfer Kraft erwachsen für alle, die um Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen.
– Menschen tragen ein Leben lang einen Namen und werden von ihren Angehörigen beim Namen gerufen. Aber das Sterben geschieht abgetrennt und der Name verbrennt mit dem Leichnam. Namenlos werden Menschen beigesetzt und verschwinden aus dem Gedenken. Gott, lass keinen Namen und keine Geschichte vergessen sein.
– Jedes Menschenleben ist geprägt von Herkunft, Familie und Vorfahren. Wir tragen ein Teil ihres Lebensschatzes und ihrer Lebenslast in uns. An manche von ihnen haben wir Erinnerungen, manche kennen wir aus Erzählungen und Überlieferung, die meisten sind vergessen. Gott, lass uns einander finden in dir.

Gott, du trägst Sorge für das Leben aller Menschen und hast uns berufen, mit dir Sorge zu tragen. Erweise dich als der Lebendige und Leben spendende durch Christus, unseren Herrn. Amen.

Anton Seeberger

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