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»Dienst am Wort«
Herausgeber
Leseprobe 3
Fünfter Fastensonntag
Barmherzigkeit rettet und bewahrt
Lesejahr C
Beitrag zum Evangelium

Einführung

In vielen Bereichen unserer Gesellschaft ertönt der Ruf nach konsequentem Handeln und hartem Durchgreifen. Ob im Umgang mit Flüchtlingen an unseren Grenzen, mit jugendlichen Straftätern oder mit Beziehern von Sozialleistungen. So verständlich das ist, so wenig löst das alle Probleme. Das wissen wir nur allzu gut. Auch aus dem persönlichen Leben. Um einem Menschen gerecht zu werden, um ihm zu helfen, sich zu verändern, braucht es einen liebenden Blick auf ihn, manches Mal viel Geduld und einen, der ihn stärkt und aufrichtet. So einen hat Gott uns an die Seite gestellt. In Jesus Christus ist er selbst so in unserer Mitte.

Kyrie-Ruf1

Herr Jesus, du siehst mit liebendem Blick auf uns Menschen.
Kyrie eleison.

Du nimmst uns ernst in unserem Handeln.
Kyrie eleison.

Du ermutigst uns zu einem ehrlichen Blick auf das Leben.
Christe eleison.

Du rufst uns zur Versöhnung und Umkehr.
Christe eleison.

Herr Jesus, in dir begegnet uns der barmherzige Vater.
Kyrie eleison.

In dir tröstet uns Gott wie eine liebende Mutter.
Kyrie eleison.

Tagesgebet

Barmherziger Gott,
wo wir an Grenzen stoßen im Umgang mit Menschen, die Schuld auf sich geladen und sich ins Böse verstrickt haben, da kommst du uns zu Hilfe. Lass uns erfahren, wie Barmherzigkeit verschlossene Herzen öffnet und Menschen einen neuen Anfang ermöglicht.
Das bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, der in der Einheit des Heiligen Geistes uns deine Liebe erkennen und spüren lässt, heute und in alle Ewigkeit.

Liedvorschläge


Gesang zur Eröffnung
GL 464 »Gott liebt diese Welt«

Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium
GL 442,1–2 »Wo die Güte und die Liebe wohnt« oder
GL 853 (Diözesanteil Freiburg und Rottenburg-Stuttgart) »Lass die Wurzel unsres Handelns Liebe sein« und
GL 176/4 »Ruhm und Preis und Ehre«

Gesang zur Gabenbereitung
GL 281,1–3 »Also sprach beim Abendmahle«

Gesang zur Danksagung
GL 407 »Te Deum laudamus«

Schlusslied
GL 452,1.5–6 »Der Herr wird dich mit seiner Güte segnen« oder
Erdentöne – Himmelsklang 288 »Wie ein Fest nach langer Trauer«

Vorüberlegungen


Im persönlichen wie gesellschaftlichen Leben gilt es immer wieder, das rechte Maß zu finden zwischen Konsequenz und Nachsicht, Strenge und Milde, Strafe und Vergebung. Dabei spielen wir auf beiden Seiten mit. Wir gehören zu denen, die (ver)urteilen und die von anderen beurteilt werden, zu denen, die vergeben und die um Vergebung bitten. Dabei geht es nicht nur um die Frage: Was ist richtig und gerecht? Was schützt die Gemeinschaft? Sondern ebenso um die Frage: Was dient dem einzelnen Menschen und hilft ihm weiterzuleben? Gott bringt mit seinem eigenen Handeln in Jesus Christus dabei eine Haltung ins Spiel, die rettet und bewahrt. Die einen davor, in Schuld und Festlegungen unterzugehen, die anderen davor, Menschen aufzugeben und sich über andere zu erheben. Barmherzigkeit, ein Wesenszug Gottes, verkörpert im Wirken Jesu, sollte beim Finden des rechten Maßes eine wichtige Rolle spielen.

Predigt
Zum Text: Joh 8,1–9 (Evangelium)

Beeindruckend, wie Jesus reagiert

Wie Jesus in dieser Situation reagiert, ist wirklich stark. Das fasziniert und beeindruckt bis heute. Wie er diese Frau aus den Händen der Horde von Schriftgelehrten und Pharisäern rettet. Wie er mit seinem Schreiben in den Sand die Ankläger ausbremst. Wie er mit dem genialen Wort »Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie«, das Blatt wendet. Wie er die Ehebrecherin mit der Botschaft »Geh, und sündige von jetzt an nicht mehr« in ihre Zukunft schickt. Dieser Jesus hat unsere Sympathie. Die Frau, der die Steinigung droht, unser Mitleid. Selbst die Schriftgelehrten und Pharisäer bekommen unseren Respekt, haben sie sich doch in ihrem religiösen Eifer bremsen lassen.

Auch in anderen »Fällen«?


Wie wäre das – verfremden wir diese Geschichte einmal etwas –, wenn sie einen Mann, den Ehebrecher oder Vergewaltiger, in die Mitte gezerrt hätten? Oder den Reichen, der gerade den Lazarus vor seiner Tür hat verhungern lassen? Oder einen Jugendlichen, der auf frischer Tat ertappt wurde, wie er einem anderen das Handy weggenommen und ihn zusammengeschlagen hat? Oder gar einen, bei dem die Polizei gerade den Laptop mitgenommen hat, auf dem sie unzählige kinderpornografische Dateien gefunden hat? Dann sähe die Lage wohl etwas anders aus. Dass Jesus die Steinigung, eine Todesstrafe verhindert, da sind die meisten von uns wohl ganz bei ihm. Aber dass er einen Täter, eine Täterin einfach so laufen lässt? Ohne Strafe, ohne Auflagen, ohne Wiedergutmachung? Da tun wir uns schwer. Jetzt könnten wir natürlich sagen, ein Ehebruch, das ist doch nur eine Privatsache und deshalb darf die Gemeinschaft sich da nicht einmischen, schon gar nicht mit solch drakonischen Strafen. Hätte es Jesus aber in den anderen verfremdeten Fällen einfach laufen lassen, der Strafe womöglich zugestimmt?

Wie mit schuldig gewordenen Menschen umgehen?

Diese Erzählung im Johannesevangelium berührt natürlich unser Rechtsempfinden. Sie spricht hinein in ganz aktuelle juristische Diskussionen. In die Auseinandersetzung um die rechte Balance zwischen angemessener Strafe und notwendiger Resozialisation von Straftäterinnen und Straftätern. In Debatten, wo es auf der einen Seite heißt: »Auf jede Straftat muss unmittelbar eine Reaktion folgen.« Und auf der anderen Seite: »Ziel sollte nicht sein, Menschen hinter Gittern zu stecken, sondern es erst gar nicht so weit kommen zu lassen.« Sie spricht in diese Situation hinein wie schon damals, als sie ihren Weg in das Johannesevangelium gefunden hat. Da hatte sie auch eine konkrete Situation im Blick. Die Frage der jungen Kirche, wie mit offenkundigen Sünderinnen und Sündern umzugehen sei. Den Streit zwischen Positionen, die auf der einen Seite als zu rigide, auf der anderen Seite als zu lax erschienen. Sie spricht hinein in die zeitlose Frage, wie mit einem Menschen umzugehen sei, der schuldig geworden ist, der anderen Unrecht getan, Grenzen verletzt oder der Gemeinschaft schweren Schaden zugefügt hat.

Barmherzig wie Gott selbst

Jesus bietet keine konkrete, rechtstheoretische Antwort auf diese Frage. Das ist nicht sein Metier. Er bringt in seiner Person Gott ins Spiel. Den barmherzigen Gott. Nicht den gutmütigen, der die Augen zudrückt. Sondern den liebenden, der ganz genau hinschaut. Der den Sünder sieht. Seine Abgründe, seine Geschichte, sein Verstricktsein in familiäre und soziale Strukturen, seine bösen Gedanken, seine Herzenshärte, aber auch seine Verantwortung und Schuld. Der auch den Gerechten sieht. Sein ehrliches Ringen und gutes Leben. Aber auch den Hochmut, der sich manchmal einschleicht. Die Überheblichkeit gegenüber anderen. Die Gefahr, allzu schnell das Urteil über andere zu sprechen. Die fragwürdige Selbstsicherheit zu wissen, was andere wieder auf den rechten Weg bringt. Diesen Gott, der deshalb zwischen Rigorismus und Laxismus einen anderen Weg wählt, den Weg der Barmherzigkeit. Weil er weiß, dass aus der Vergebung die Kraft zum Neuanfang erwächst. Damit ist diese Geschichte eingebunden in ein Netz von Worten und Taten Jesu in den Evangelien, die alle von diesem Gott reden, ihn anschaulich und erfahrbar machen. So sehr, dass ein Exeget zu dem, was der Ehebrecherin widerfährt, schreiben konnte: »Bedingungslos ergeht der Freispruch, versehen mit der ganzen Autorität dessen, der die Barmherzigkeit Gottes verkörpert.«2 In Jesus Christus ist Gott Mensch geworden, bekennen wir. Leibhaftig begegnet uns in Jesus Christus die Barmherzigkeit Gottes, die rettet und bewahrt. Die Frau aus der Geschichte vor dem Tod oder einer erdrückenden Schuld. Die Schriftgelehrten und Pharisäer vor einem vernichtenden Urteil über einen Menschen, das keine Zukunft mehr zulässt.

Hoffnung, dass Barmherzigkeit rettet, bewahrt und aufrichtet

Ist das nicht die Hoffnung von uns allen? Dass Menschen, die abgestürzt und auf krumme Wege geraten sind, wieder auf die rechte Spur kommen. Dass Menschen sich vom Bösen abwenden, von schädlichen Einflüssen befreit werden. Dass Menschen nach einer schweren Schuld eine neue Chance bekommen. Ist das nicht die Hoffnung von Eltern, deren Kinder straffällig geworden sind? Von Richterinnen und Richtern, die sich mit solchen »Fällen« beschäftigen und ein Urteil fällen müssen? Von all denen, die Menschen in solchen Situationen begleiten? Und von mir selbst, wenn ich mich für einen Irrweg von mir schäme oder Schuld auf mich geladen habe und nur bitten kann, dass der andere mir vergibt.

Jesus Christus nimmt uns die Entscheidungen nicht ab, wie wir da ganz konkret im persönlichen, erzieherischen oder juristischen Kontext richtig handeln. Aber er verkörpert die große Hoffnung, dass Barmherzigkeit Menschen retten, bewahren und aufrichten kann. Die Barmherzigkeit Gottes, die er mit seinem Wirken anschaulich gemacht hat. Sie kann auch durch uns in dieser Welt immer wieder Gestalt gewinnen, wo wir innehalten, genau hinschauen, Vergebung schenken und anderen eine Chance geben. Wo der einmalige und unvergessliche Satz Jesu uns den Atem stocken und zugleich aufatmen lässt: »Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe als Erster einen Stein auf sie.«

Fürbitten


Großer Gott, Jesus Christus verkörpert deine Barmherzigkeit. Deshalb kommen wir mit unseren Anliegen zu dir und bitten:

– Um einen wachen Blick und ein weites Herz für alle, die in unserer Kirche Menschen geistlich begleiten. – Stille – Barmherziger Gott:
(Wir bitten dich, erhöre uns.)
– Um Unvoreingenommenheit und Klugheit für alle, die als Richterinnen und Richter Licht ins Dunkel bringen und Urteile fällen. – Stille – Barmherziger Gott:
– Um Geduld und Klarheit für alle, die als Eltern oder in Erziehungsberufen jungen Menschen auch in Krisen an der Seite stehen. – Stille – Barmherziger Gott:
– Um Heilung der Wunden und die Kraft zur Vergebung für alle, die sich mit einem anderen Menschen aussöhnen wollen. – Stille – Barmherziger Gott:
– Um Entschiedenheit und Ausdauer für alle Frauen und Männer, die sich in den durch die Misereor-Fastenaktion unterstützten Projekten für die Würde des Menschen einsetzen. – Stille – Barmherziger Gott:

Barmherziger Gott, du rettest aus Schuld und Not und bewahrst vor Unheil und Irrwegen. Darauf vertrauen wir. Dafür preisen wir dich durch Jesus Christus, deinen Sohn und unseren Bruder.
Amen.

Anmerkungen:
1 Die Rufe können nach GL 163 gesungen werden.
2 Das Evangelium nach Johannes, Kapitel 1–12, übersetzt und erklärt von Michael Theobald, Regensburg 2009, 560.

Klaus Kempter

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