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Leseprobe 3 |
Fünfter Sonntag der Osterzeit |
Vom Wertschätzen und Dienen |
Lesejahr C |
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Beitrag zum Evangelium
Einführung
Jedes Unternehmen hat eine Corporate Identity, eine Unternehmensidentität. Mithilfe dieser Unternehmensidentität können beispielsweise Kunden feststellen, was sie sich von diesem Unternehmen erwarten können. Je klarer diese Corporate Identity ist, desto höher ist der Wiedererkennungswert des Unternehmens. Hat das Christentum auch so etwas wie eine Corporate Identity? Oder anders gefragt: Woran erkennt man einen Christen? Darüber wird uns das heutige Evangelium Aufschluss geben.
Kyrie-Ruf
Herr Jesus Christus, du hast Liebe in unsere Welt gebracht. Herr, erbarme dich.
Herr Jesus Christus, du hast den Menschen gedient. Christus, erbarme dich.
Herr Jesus Christus, du begleitest uns auch in schweren Situationen. Herr, erbarme dich.
Tagesgebet
Guter Gott, du hast dich uns in Jesus Christus gezeigt und uns erlöst. Sei mit deinem Geist hier in unserer Mitte. Schenke uns Ruhe, Impulse und Begegnungen mit dir und mit unseren Mitmenschen. Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in Ewigkeit.
Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung GL 148,1–3 »Komm her, freu dich mit uns«
Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium GL 448,1–4 »Herr, gib uns Mut zum Hören« und GL 174/1 »Alleluia«
Gesang zur Gabenbereitung GL 188,1–4 »Nimm o Gott, die Gaben, die wir bringen«
Gesang zur Danksagung GL 405, 1–3 »Nun danket alle Gott«
Segenslied GL 451,1–3 »Komm, Herr, segne uns«
Predigt
Zum Text: Joh 13,31–33a.34–35 (Evangelium)
»Daran werdet ihr alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.« Das ist für mich der zentrale Satz des heutigen Evangeliums. Die gegenseitige Liebe als Erkennungszeichen der Jünger Jesu. So schön dieser Satz zunächst klingt, so unklar ist er bei genauerem Hinsehen. Denn was heißt denn »lieben« überhaupt? Hätten Sie eine prägnante Definition parat?
Was bedeutet »lieben«?
Der Begriff »Liebe« wird heutzutage sehr vielfältig verwendet. Liebe in einer Partnerschaft ist anders als die Liebe zu den eigenen Kindern, die Liebe zu den Eltern ist anders als die Liebe zu Gott. Die freundschaftliche Liebe ist anders als die Liebe zu einem Ort oder einem Buch oder einem Hobby. Und doch wird in all diesen Kontexten das Wort »lieben« verwendet. Gleichzeitig wissen wir, dass es einen erheblichen Unterschied zwischen dem »ich liebe diesen Menschen« oder »ich liebe dieses Buch« oder »ich liebe Sonnenuntergänge« gibt. Was jedoch all dieses Lieben verbindet, ist die Wertschätzung gegenüber dem, was wir lieben.
Wertschätzung und Dienen
Ich glaube auch, dass eine ehrliche, fest verankerte, tiefgreifende gegenseitige Wertschätzung eben das ist, was Jesus von seinen Jüngern erwartet. Eine solche Wertschätzung ist keine Garantie dafür, dass es keine unterschiedlichen Meinungen oder Streit geben wird. Vielleicht kann sie auch manche gegenseitigen Verletzungen nicht verhindern. Aber Wertschätzung kann bewirken, dass man sich nicht auf Dauer voneinander abgrenzt und – trotz aller Meinungsunterschiede – im Anderen ein gleichwertiges Gegenüber sieht und nicht lediglich einen Störfaktor.
Eine solche Wertschätzung setzt auch voraus, dass ich anerkenne, dass mein Gegenüber nicht so ist wie ich selbst. Sondern seine eigene Prägung, seine eigenen Erfahrungen, Verletzungen und Wünsche mit sich trägt.
Dem Abschnitt aus dem Evangelium geht die Erzählung der Fußwaschung unmittelbar voraus. Jesus macht sich klein und wäscht seinen Jüngern die Füße. Ein starkes Zeichen. Ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber seinen Jüngern. Mit dieser Fußwaschung erweist Jesus aber nicht nur den Jüngern Wertschätzung, sondern er wertet auch das Dienen als solches auf. Dadurch, dass Jesus, dieser große Meister, seinen Jüngern die Füße wäscht, gibt er dem Dienen einen ganz neuen Wert. Er verleiht dieser abgewerteten Sklavenarbeit eine eigene, herausgehobene Würde. Für viele der Jünger wird das vermutlich eine ziemlich irritierende Situation gewesen sein. Jesus irritiert – um dem Dienen einen besonderen Wert zu geben. Einander wertschätzen und einander dienen – ich denke, dass wir damit dem, was Jesus von seinen Jüngern erwartet, recht nahekommen.
Kirche als Vorbild in Sachen Wertschätzung und Dienen?
Werden wir diesem Anspruch Jesu gerecht? Ein Blick in unsere Gesellschaft zeigt, wie polarisierend mittlerweile viele Diskussionen geworden sind. Verbale und physische Angriffe auf Personen des öffentlichen Lebens häufen sich. Bei Demonstrationen, Parteitagen und selbst in Bundestagsdebatten wird die Wortwahl zunehmend aggressiver, ja teilweise diffamierend und beleidigend.
Von Wertschätzung ist da häufig nicht mehr viel zu spüren. Dabei muss Wertschätzung keinesfalls bedeuten, dass man immer der gleichen Meinung ist oder gar seine Meinung dem Gegenüber anpassen müsste. Wertschätzung ist vielmehr der Grund, auf dem eine gute Streitkultur fußen kann. Wir brauchen Diskussionen, vielleicht brauchen wir manchmal sogar eine gewisse Art des Streits. Aber ohne Wertschätzung des Gegenübers werden die Diskussionen letztlich zu einer Verhärtung der Fronten führen. Ohne Aussicht auf einen wahren Dialog.
Gerade im Klima dieser gesellschaftlichen Polarisierung sind wir als Kirche herausgefordert, mit gutem Beispiel voranzugehen und im Umgang miteinander diese gegenseitige Wertschätzung und den gegenseitigen Dienst zu leben.
Unsere Attraktivität als Kirche wird auch davon abhängen, wie sehr wir als eine Gemeinschaft wahrgenommen werden, in der unterschiedliche Meinungen und Prägungen ausgehalten werden können – ohne dem Gegenüber bei Meinungsverschiedenheiten die Wertschätzung zu entziehen.
Und unsere Glaubwürdigkeit als Kirche wird auch davon abhängen, wie sehr wir als eine dienende Kirche wahrgenommen werden. Eine Kirche, welche die Menschen in ihren Anliegen ernst nimmt, wertschätzt und ihnen beisteht. Vielleicht sagen dann auch wieder mehr Menschen: Ja, in dieser Kirche fühle ich mich wohl.
Fürbitten
Guter Gott, vor dich kommen wir mit unseren Bitten:
– Wir bitten für alle Menschen, die sich für ein gesellschaftliches Klima der gegenseitigen Wertschätzung und Unterstützung starkmachen. (Wir bitten dich, erhöre uns.) – Wir bitten für alle Menschen, die versuchen, Jesus in ihrem Leben nachzufolgen und seine Weisungen zu beherzigen. – Wir bitten für alle Menschen, die anderen ihre Liebe schenken. – Wir bitten für alle Menschen, die vernachlässigt, diskriminiert und ausgegrenzt werden und sich nach Anerkennung und Wertschätzung sehnen. – Wir bitten für alle Menschen, die im Sterben liegen, und für unsere Verstorbenen. Um ein Leben in deiner Geborgenheit.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn. Amen.
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Andreas Ruiner |
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