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Leseprobe 3 |
Weihnachten – Am Tag |
Vom Unergründlichen reden |
Lesejahr A – B – C |
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Beitrag zum Evangelium
Einführung
Von der Geburt Jesu im Stall zu Betlehem können wir anschaulich erzählen. So wie das Lukas in seinem Evangelium getan hat. So wie das gestern bei vielen Krippenfeiern geschehen ist. Von Gott zu reden, von seiner Gegenwart in dieser Welt, das fällt uns dagegen nicht immer so leicht. Weihnachten lädt uns ein, Gott in der Schöpfung und in meinem Leben zu entdecken und davon zu reden. Denn das Wort, Gott selbst, ist Fleisch geworden, um uns die Augen zu öffnen, wie nahe er uns war und ist und bleiben wird.
Kyrie-Ruf
Herr Jesus, unergründliches Geheimnis und Mensch wie wir. Kyrie eleison.
Jesus Christus, am Herzen des Vaters ruhend und unter uns wohnend. Christe eleison.
Herr Jesus, schöpferisches Wort und Licht der Menschen. Kyrie eleison.
Tagesgebet
Unergründlicher Gott, in deiner Menschwerdung in Jesus von Nazaret hast du uns dein Herz geöffnet und uns erkennen lassen, wie alles, was geworden ist, von deiner Gegenwart kündet. Lass uns immer wieder entdecken, wie du dich in dieser Welt und in unserem Leben uns zuwendest und nahe bist. Lass uns so als deine Kinder vertrauensvoll leben. Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und uns Menschen liebt, heute und in Ewigkeit.
Liedvorschläge
Gesang zur Eröffnung GL 252,1.3.5 »Gelobet seist du, Jesus Christ«
Antwortgesang mit Ruf vor dem Evangelium GL 400,1–2 »Ich lobe meinen Gott«
Gesang zur Gabenbereitung GL 240 »Hört, es singt und klingt mit Schalle« oder GL 739 (Diözesanteil Freiburg und Rottenburg-Stuttgart) »Alle Menschen höret, auf dies neue Lied«
Gesang zur Danksagung GL 241,1–2 »Nun freut euch, ihr Christen«
Schlusslied GL 241,3–4 »Der Abglanz des Vaters«
Vorüberlegungen
Eine Urlaubslektüre hat mich den Text entdecken lassen, mit dem die Predigt beginnt. Er bringt exemplarisch auf den Punkt, wie es vielen Menschen heute mit Religion und Kirche geht. Sie äußern ihre Zweifel und kritischen Anfragen an den Glauben. Sie tun sich schwer, vom unergründlichen Gott zu reden. Jesus Christus lässt uns Christen von Gott reden, weil er, sein Mensch gewordenes Wort, von ihm Kunde gebracht hat. Das macht der Johannes-Prolog deutlich und öffnet darüber hinaus den Blick auf die Schöpfung und die Geschichte, in der Gott zu finden ist. Er legt damit eine Spur, wie wir vom Unergründlichen reden können.
Predigt Zum Text: Joh 1,1–18 (Evangelium)
Wenn es einen Gott gibt …
»Manolis schaute über die Brille hinweg in den Himmel, dort, wo angeblich das Reich Gottes war. Wenn es einen Gott gab, dann war er ein Narr. Es gibt weder Logik noch Gerechtigkeit in dieser Welt, die Du erschaffen hast, und Du willst ein höheres Wesen sein? Sofort entschuldigte er sich bei der Heiligen Jungfrau für seine blasphemischen Gedanken, ohne sich allerdings für sie zu schämen. Mit seinen neunundsechzig Jahren – Gott sei Dank immer noch fit, abgesehen von gelegentlichen Rheumaanfällen – hatte er mit Religion und Kirche weniger am Hut als jemals zuvor in seinem Leben. Als junger Mann hatte er es nicht gewagt, Gottes Zorn herauszufordern, indem er dessen Absichten in Frage stellte. Jetzt aber war es ihm egal. Scheiß drauf. Es gab weder Paradies noch Hölle, und wenn es einen Gott gab, dann war er mehr als unergründlich.«1
… dann ist er mehr als unergründlich
So lässt Christos Tsiolkas den alten Manolis, eine Figur in seinem Roman »Nur eine Ohrfeige« sinnieren, nachdem dieser die Todesanzeige eines 32-Jährigen in der Zeitung entdeckt hat. In diesem Roman, in dem die verschiedenen Personen in spannende Beziehungsgeschichten verflochten sind, in dem es um Partnerschaft und Sex, um Familie und Kinder, um Arbeit und Besitz, um Partys und Drogen und eben um eine Ohrfeige geht. In dem Gott nur am Rande eine Rolle spielt, so wie in diesen Gedanken Manolis. Bei der Beerdigung, zu der der alte Mann gegangen ist. In seinem Unmut, dass sein Sohn mit seiner atheistischen asiatischen Frau nicht kirchlich verheiratet ist. All das ist mir und Ihnen irgendwie vertraut. Nicht nur das Leben mit seinen manchmal verworrenen Beziehungs- und Familiengeschichten, dem Kämpfen und Scheitern, der Jagd nach Glück und Erfolg. Auch dass Gott da bei vielen keine Rolle mehr spielt, vielleicht nur noch sehr vage als »ein höheres Wesen« vorkommt, wenn überhaupt. Vertraut sind uns auch die kritischen Anfragen, die in Manolis Gedanken zum Ausdruck kommen. Die Zweifel im Blick auf das, was uns an Unlogischem und Ungerechtem in dieser Welt begegnet. »Wenn es einen Gott gibt, dann ist er mehr als unergründlich.« Können wir da überhaupt noch von ihm reden? Sagen, wer er ist, was er für uns tut? Uns zu ihm als Glaubende bekennen?
Und doch können wir reden – von ihm …
Jahr für Jahr bietet uns das Weihnachtsfest einen Text, der klar und deutlich von Gott redet: den Anfang des Johannesevangeliums. Manch einer fragt jetzt vielleicht: Dieser Text, der so genannte Johannes-Prolog, soll uns helfen, heute von Gott zu reden? Das ist doch hohe Theologie. So schwer verständlich für heutige Menschen. Das ist, wenn wir die Einschübe weglassen, die von Johannes erzählen, Poesie aus einer längst vergangenen Zeit. Ein Hymnus, der doch nicht unsere Sprache spricht. Das mag stimmen. Aber wovon er spricht, das sind Gedanken, mit denen wir als Christen auch heute von Gott reden können. Da ist die Einsicht, dass Gott in allen Dingen, in der ganzen Schöpfung zu finden ist, weil ohne A – B – C / Weihnachten – Am Tag 2024/903 ihn, das göttliche Wort, nichts wurde, was geworden ist. Da ist die Überzeugung, dass das göttliche Licht in jedem Menschen leuchtet, dass jedes Menschenleben einen göttlichen Funken in sich trägt. Da ist der Glaube, dass dieses In-der-Welt-Sein Gottes in der Geburt Jesu eine einzigartige Zuspitzung erfahren hat. In ihm ist das Wort Fleisch geworden, Mensch wie wir, sagt Johannes. Und da ist die Erfahrung, dass Jesus Christus uns einen, für uns den entscheidenden Zugang zu Gott eröffnet. Er hilft uns, »Kinder Gottes zu werden«, in eine vertrauensvolle Beziehung zu Gott zu kommen. »Niemand hat Gott je gesehen.« Für uns Menschen bleibt er »mehr als unergründlich«. Da hat Manolis wohl recht. Aber – und das feiern wir an Weihnachten – »der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht«. Er öffnet uns die Augen, wie nahe Gott uns ist.
… und seiner Beziehungsgeschichte mit uns Menschen
Dieses Evangelium des ersten Weihnachtstages redet darüber hinaus von der spannenden Beziehungsgeschichte zwischen Gott und den Menschen. Es deutet sie an, wenn es da heißt: »Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.« Oder: »Die Welt erkannte ihn nicht.« An dieser Stelle ganz ohne Wertung, ohne Vorwurf, eher mit einem Hauch von Traurigkeit und Enttäuschung. So wie wir vielleicht manches Mal traurig sind, wenn uns nahe Menschen sich vom Glauben abwenden oder keinen Zugang zu Gott finden, der Kirche den Rücken kehren. Johannes lässt mit seinen Worten an die lange Geschichte Israels denken, mit all dem Auf und Ab in der Beziehung zu Gott. Er lässt an Jesus denken, sein Wirken, sein Reden, sein Ringen um die Menschen, an die Bereitschaft der einen, ihm zu folgen, und die harsche Ablehnung der anderen. Das öffnet auch einen Blick auf die heutige Zeit, darauf, wie Menschen Gott in ihrem Leben, in ihrer Geschichte entdecken, über das Wort und die Person Jesu einen Zugang zu ihm finden. Oder eben sich zweifelnd oder kopfschüttelnd von ihm abwenden, nichts mit ihm anfangen können. Johannes weiß: Allein als Mensch geboren zu sein, reicht noch nicht, um zu glauben, um bewusst und entschieden sich zu Gott zu bekennen und in der Spur Jesu als sein Kind leben zu können. Dazu muss ein Mensch »aus Gott geboren« werden. Bei allem Suchen und Fragen, bei aller Einsicht und Entschiedenheit, hat Glaube etwas Unverfügbares. Er bleibt ein Geschenk, das wir in zerbrechlichen Gefäßen tragen, wie Paulus es gesagt hat.
… und unseren Erfahrungen mit ihm mitten in dieser Welt
»Wenn es einen Gott gab, dann war er ein Narr.« So hat Manolis in dem Roman »Nur eine Ohrfeige« gedacht. Und hat vielleicht sogar Recht. Denn was er mit der Geburt Jesu begonnen und was mit dessen Tod am Kreuz geendet hat, war – so sagt es Paulus später – für die Juden ein Ärgernis, für die Heiden eine Torheit. Und auch heute können viele damit nichts anfangen. Und wir? Können wir, das wäre wunderbar, von ihm reden? Wir können vielleicht erzählen, wie dieser Gott, von dem uns Jesus Kunde gebracht hat, mein Leben hell macht. Wie ich ihm in meiner Geschichte immer wieder begegne. Wie ich ihn in meiner Vitalität spüre. Wie er im Dunkel dieser Welt und meines Lebens ein Halt ist, an dem ich mich festmache. Wie er mir einen barmherzigen und wachsamen Blick auf die Welt und die Menschen schenkt. Wie er mich immer wieder motiviert, mich für andere zu engagieren. Wie er vor allem den begrenzten Horizont dieser materiellen Welt weitet. »Manolis schaute über die Brille hinweg in den Himmel, dort, wo angeblich das Reich Gottes war.« Wir schauen heute auf die Erde, auf die Krippe. Denn das Wort, Gott selbst, ist Mensch geworden und hat unter uns gewohnt. Hier will er erfahrbar sein. Hier will sein Reich Gestalt annehmen. Ja, Gott bleibt unergründlich für uns. Aber wir können glaubend und mit unseren Erfahrungen von ihm reden, so wie Johannes es damals mit dem Hymnus am Beginn seines Evangeliums getan hat.
Fürbitten
»Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht« – von dir, Gott, der du ein Ohr hast für unsere Nöte und Bitten:
– Wir Christinnen und Christen ringen immer wieder um Worte, um in der heutigen Zeit von dir zu reden. Gib uns die nötige Sensibilität und Kreativität, die es dazu braucht. – Stille – Unergründlicher und zugleich naher Gott: (Wir bitten dich, erhöre uns.) – Wir erschrecken, wie Krieg und militärische Aufrüstung wieder so selbstverständlich geworden sind. Ermutige alle, die sich für Diplomatie und Friedensinitiativen einsetzen. – Stille – Unergründlicher und zugleich naher Gott: – Wir werden immer wieder erschüttert durch tragische Unglückfälle und schlimme Krankheiten in unserer Nähe und in der Ferne. Schenke Trost und Heilung und erhalte unser Vertrauen ins Leben. – Stille – Unergründlicher und zugleich naher Gott: – Wir spüren die Spannungen und Spaltungen in unserer Gesellschaft. Wehre dem Hass und der Gewalt und stärke alle, die sich für Dialog und Verständigung einsetzen. – Stille – Unergründlicher und zugleich naher Gott: – Wir sehnen uns nach Glück und gelingendem Leben für uns und unsere Lieben. Lass uns deine Nähe spüren und voll Zuversicht unser Leben gestalten. – Stille – Unergründlicher und zugleich naher Gott:
Gott, höre unsere Bitten, die wir dir anvertraut haben an diesem Weihnachtsfest, das wieder unseren Glauben stärkt an deine Nähe in Jesus Christus und im Wirken des Heiligen Geistes. Dir sei Lob und Dank, heute und in Ewigkeit. Amen.
Anmerkungen: 1 Christos Tsiolkas, Nur eine Ohrfeige, Stuttgart ²2012, 313f.
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Klaus Kempter |
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