archivierte Ausgabe 2/2024 |
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Leseprobe 3 |
Karfreitag |
Es ist vollbracht |
Lesejahr A – B – C |
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Beitrag zum Evangelium (Passionsgeschichte)
Vorüberlegungen
Zum Text: Joh 18,1 – 19,42 (Evangelium/Passionsgeschichte)
Bei Matthäus und Markus stirbt Jesus mit dem klagenden Schrei: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« und Lukas lässt Jesus rufen: »Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.« Rufe und Schreie des Klagens und Zweifelns, der Ergebenheit und Bezugnahme zu dem, zu dem er sich in besonderer Weise bezogen wusste: zu Gott seinem Vater.
Johannes aber knüpft in der Todesstunde an dem an, wie er Jesus schon im ersten Kapitel vorgestellt hatte: »Jesus ist der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht« (Joh 1,18). Und deshalb lässt er Jesus sagen: »Es ist vollbracht« – Auftrag und Sendung sind erfüllt. Das Sterben und der Tod am Kreuz gehören zu der Erfüllung dieses Auftrags dazu: entschieden sichtbar zu machen, zu offenbaren, wer Gott ist und was er den Menschen sein will: ein Gott, der den Menschen seit Anfang der Schöpfung und der Menschheit seinen Geist übergibt, den Lebensgeist selbst im Tod.
Dieser Johannes-Deutung wollen die folgenden Predigt-Gedanken nachspüren.
Predigt
»Danach, da Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war … und er von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und er neigte das Haupt und übergab den Geist«.
Wenn etwas vollbracht ist, dann ist es abgeschlossen, fertig erstellt, vollendet, erledigt, es kann abgehakt und beiseitegelegt werden. Anstrengungen und Aufwendungen, die nötig waren, liegen hinter einem. Man kann zufrieden auf das schauen, was in der zurückliegenden Zeit war und entstanden ist. Oder das, was jetzt beendet wurde, bedeutet einen Schlusspunkt in dem Sinne, dass man sich von ihm trennen und verabschieden muss. Ein Leben ist vollbracht, mit allen Höhen und Tiefen oder es ist das Ende von Leid und Schmerzen und Leiden. Vollbracht ist, was das Leben geprägt und ausgemacht hat. Es war einmal und manches wird vielleicht auch weiter bleiben. Sichtbar, erlebbar oder nur in der Erinnerung.
»Es ist vollbracht« sind die letzten Worte Jesu nach dem Johannes Evangelium. Und wir können und müssen fragen: Und was ist vollbracht und was bleibt?
Johannes versteht und glaubt es so:
Alles, was Jesus in seinem Leben war und sein wollte, sein Reden und Tun, sein Auftreten bei und sein Eintreten für die Menschen ist jetzt ans Ziel gekommen, in seinem Sterben vollbracht und vollendet. In aller Entschiedenheit und wider alles, was gegen ihn anklagend erhoben wurde und ihm das Todesurteil brachte, bleibt er dabei: Es ist vollbracht, der Auftrag ist zu Ende geführt. Widersprüchlicher kann es nicht sein: Jesus, in dem nach Johannes von Anfang an das Leben und dieses Leben das Licht der Menschen war, Jesus, in dem die Wahrheit über Gott und den Menschen aufleuchtete und offenbar wurde, aus dem alle Gnade über Gnade empfangen haben, wie Johannes bekennt, dieser Jesus bleibt sich treu: Selbst im Sterben und im Tod gilt, was er gelebt und wofür er eingetreten ist: Ihr sollt das Leben haben und es in Fülle haben. Jesus vertraut und bezeugt: Gott ist mit mir und mit euch. Diese göttliche Bestimmung hat Johannes in seinem Evangelium beschrieben und entfaltet. Es sind Begegnungs- und Beziehungsgeschichten, die darüber berichten, wie Menschen in der Berührung mit Jesus Lebens-Erfahrungen machen. Es sind Erfahrungen, dass das Brot und der Fisch für alle reicht und alle satt werden, weil er das Brot des Lebens ist; dass bei ihm niemand mehr vor Durst sterben muss, weil er selber das Wasser des Lebens ist; die Erfahrung, dass wer sich von ihm berühren lässt, heil werden und aufstehen kann, weil er die Auferstehung und das Leben ist; dass, wer ihm vertraut wieder sehen und hören kann, geheilt in die Gemeinschaft des Lebens findet; und wer vom Tod und im Tod gefesselt und gebunden ist, der wird losgebunden von den Mächten des Untergangs und des Verderbens: »Mädchen, ich sage dir steh auf«, und: »Bindet Lazarus los, er ist nicht tot.« In der Lebensbegegnung mit ihm stehen Menschen geheilt auf und bekennen: Mein Herr und mein Gott, wir sind Gott begegnet. Wo Untergang und Unheil droht und Menschen darin zu versinken drohen, wird ihnen eine rettende und heilende Hand entgegengestreckt: »Ich will, sei heil.«
Niemand hat Gott je gesehen,
… so Johannes zu Beginn seines Evangeliums. Aber einer macht diesen Gott sichtbar, hörbar und macht erfahrbar, wer er ist und bleibend sein will: Jesus von Nazaret, der Kunde von ihm bringt und diese Zusage nicht nur ausspricht, sondern sie lebt und sie in ihm Hand und Fuß bekommt; er, der Ort der Gegenwart und Selbstmitteilung Gottes, seines und unseres Vaters. Dieses heilende und heilsame, befreiende und Leben spendende Auftreten Jesu wird in unserem Glaubensbekenntnis ausgelassen. Von der Geburt springt es gleich in das Sterben und den Tod: Geboren von der Jungfrau Maria … Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben. Im »es ist vollbracht« aber leuchtet es auf: Jesus taucht ein in die Lebens- und Leidensgeschichte der Menschen, lässt sich taufen an der Seite der Sünder und Sünderinnen, über ihm geht der Himmel auf und deshalb ist durch ihn und mit ihm offenbar geworden: Der Tod hat keine Gewalt mehr über die Menschen. Selbst an der äußersten Grenze des Lebens, im Sterben und im Tod bleibt der an der Seite der Menschen, der selber entschieden an dieser Grenze ist und sein Versprechen einlöst: Im Tod ist das Leben. Deshalb erfolgt auch hier die Übergabe des Geistes, der Beziehung schafft unter den Menschen, zwischen Mutter und Sohn und Kind und Mutter, der neue Verbindungen knüpft, die in Schmerzen und Verlustängsten keinen allein lassen. Von Anfang an ist es diese Frage: Wie weit wird dieser Gott gehen? Wo kommt er an seine Grenzen? Im »es ist vollbracht« kommt ans Licht, wie weit er geht. Es sind keine Grenzen gesetzt, weil selbst an der Lebens-Grenze, dem Tod, Geist-Gabe geschieht, Geist-Übergabe, Belebung.
Aber wir können das Dunkel des Kreuzes nicht wegretuschieren
Das Kreuz bleibt die schwer drückende Anfrage an unser Leben. Was wir aber sehen und hören dürfen: Von dem am Kreuz sterbenden Jesus fällt Licht auf das Dunkel unseres Lebens und der Welt. Es ist für uns vollbracht, weil in ihm Himmel und Erde verbunden sind und bleiben und seine ausgespannten Arme festgemacht sind am Kreuz, das bei allen Kreuzen und unter allen Kreuzen derer steht, die heute gekreuzigt und im Leiden sind. Jesus hat sich entschieden daran festgehalten und ist gehalten im Vertrauen, dass Gottes Gerechtigkeit und seine Wahrheit gelten für alle, die Lebenden und die Toten.
Wer so auf das Kreuz Jesu schauen lernt …
… und darin sein »Leben für uns und für alle« erkennt, der bekommt auch einen Blick und wird empfindsam für die Kreuze der Menschen heute. Der am Kreuz Ausgespannte verbindet auch uns mit den Menschen neben uns und mit ihren Kreuzen. Wie sein Kreuz aufgestellt und er daran weit sichtbar ausgestellt wurde, ist es Erinnerungszeichen an die Kreuze unserer Gegenwart im privaten und öffentlichen Bereich, in den Nahbereichen unseres Lebens und weltweit. Wo immer Menschen sich entschieden unter diese und zu diesen Kreuzen stellen und zu denen, die darauf gekreuzigt werden, wird vollbracht, was er uns vorgelebt hat und wovon sein Kreuz kündet: Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt und es in Fülle habt.
Lied vor der Kreuzverehrung
GL 378 »Brot, das die Hoffnung nährt«
Gebet
Bei allem, was geschieht, schreckenerregend, menschenunwürdig, öffne unser Herz und unseren Verstand für das, was auch geschieht: Gerechtigkeit, die vollbracht wird, Menschen, die sich einsetzen und durchhalten bis zum Ende. Dass unsre Augen sich öffnen für die Blitze einer neuen Welt.
Dass wir uns nicht einschüchtern lassen durch die, die die Macht haben, wohl jetzt noch, doch einst nicht mehr – dass wir erfinderisch die kleinsten Chancen zu nützen lernen, Frieden zu stiften und Recht zu tun,
dass wir den Mut nicht verlieren, dass wir der Stimme nicht misstrauen, die in uns spricht von Frieden,
dass wir im Wort uns aufrechthalten, dass nichts unmöglich ist bei Gott Ich-werde-da-sein.
(Huub Oosterhuis)1
1 Aus: Huub Oosterhuis, du, nur du, immer du. Gebete. Patmos Verlag, Ostfildern ³2023, 55.
Lied
GL 365 »Meine Hoffnung und meine Freude«
Fürbitte
(als Ergänzung zu den Großen Fürbitten)
Für die Leidenden und Verwundeten in den Kriegen weltweit, besonders in der Ukraine und im Nahen Osten.
Lasset uns beten für die Menschen in den Kriegsgebieten unserer Welt, besonders in der Ukraine und im Nahen Osten, für die Verwundeten an Leib und Seele, für die, die Angehörige und Freunde verloren haben, die gefangen sind und gequält werden, die alles verloren haben, was sie zum Leben brauchen, die ihrer Heimat beraubt wurden, und lasst uns auch für die beten, die Hass und Feindschaft säen und Gewalt und Tod verbreiten.
Beuget die Knie – Erhebet euch
Barmherziger, treuer Gott, das Kreuz deines Sohnes, unseres Herrn und Bruders Jesus Christus, ist das bleibende Zeichen deiner Liebe und deiner Gerechtigkeit für die Menschen in aller Welt. Es kündet von deinem Geist des Friedens und der Versöhnung, der Heilung und Leben schenkt. Lass uns erkennen, was dem Frieden dient und wecke in den Verantwortlichen, die Macht haben, den Geist dieses Friedens, damit Krieg und Hass ein Ende finden. Darum bitten wir durch Christus unseren Bruder und Herrn. Amen.
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Wolfgang Tripp |
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